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Fahrstuhl für Schiffe und Boote

Der achtzig Meter lange Schubverband auf dem Weg von der Oder nach Berlin hat festgemacht. Er passt gerade noch hinein in den nur 84 Meter langen Trog. Die großen Stahltore setzen sich in Bewegung. Alles fängt an zu vibrieren. Das größere, 30 Tonnen schwere, Schott verschließt den Oder-Havel-Kanal.  Die kleinere Stahlwand, immerhin auch noch 20 Tonnen schwer, riegelt den Trog ab und schafft so ein abgeschlossenes Wasserbassin.

Ein zweimaliges lautes Tuten eines Signalhorns ist das Startsignal. Es geht los.  Mannshohe Zahnräder setzen sich in Bewegung, der 4.300 Tonnen schwere Trog beginnt seinen Zug 36 Meter nach oben. Im gleichen Rhythmus schweben die 4.300 Tonnen schweren Gegengewichte nach unten. Aus dem Maschinenraum des Schiffshebewerkes pocht und rumort es wie aus einem alten Schiffsdiesel. Jörg Schumacher, Chef des Hebewerks im brandenburgischen Niederfinow, ist immer wieder begeistert von dem seit fast 80 Jahren funktionierenden Bauwerk, inzwischen sogar schon ein geschütztes Industriedenkmal: „Eigentlich ist das die Technik der Zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts“, erzählt er, und ergänzt mit dem Stolz eines technikbegeisterten Ingenieurs, dass der Trog in diesen Zeiten schon beeindruckende 800.000 Fahrten geleistet habe.

Sechs Minuten dauert die Fahrt. Auf dem Weg von unten nach oben wird mit jedem Meter der Blick freier, hinweg über das Odertal, den idyllischen Finowkanal und die grüne ostbrandenburgische Landschaft, soweit das Auge reicht. Dann dockt der Trog an. Die tonnenschweren Stahltore öffnen sich wieder, und der Skipper setzt seine Fahrt Richtung Berlin fort.

 

Aber dieses Beispiel deutscher Ingenieurbaukunst hat die Grenze seiner Möglichkeiten erreicht.  Seit 2006 wird direkt neben dem alten Schiffshebewerk für 285 Millionen Euro ein imposanter Neubau erstellt. Der Trog wird 115 Meter lange Schiffe mit 12,5 Metern Breite und einem Tiefgang von vier Metern transportieren können. Große Schubverbände müssen nicht mehr aufwendig auseinandergekoppelt werden. Das bedeutet für Frachtschiffe eine enorme Zeitersparnis auf dem Weg zwischen Stettin und Berlin. Die Dimensionen des Neubaus lassen sich gut von der Aussichtsplattform an der Nordseite des alten Schiffshebewerks überblicken. Vier gigantische Betontürme, die Pylone, werden die Hauptlast des Schiffsfahrstuhls tragen. Der neue Trog wird mit Wasser gefüllt 10.000 Tonnen wiegen.  Schwerer wird es beim Transport eines Schiffes nicht, da ein Schiff das gleiche Gewicht an Wasser verdrängt, wie es selbst wiegt. Dementsprechend sind auch die Gegengewichte mit 10.000 Tonnen zu schaffen.

Wenn alles läuft (besser als beim  Flughafen BER, dem anderen Großprojekt in Brandenburg), kann es Ende 2014 die ersten Probeschleusungen geben. Auch für die vielen Sportbootfahrer, die Niederfinow zwischen Berlin und der Ostsee passieren, gibt es eine gute Nachricht. Das alte Schiffshebewerk soll bis 2025 in Betrieb bleiben und weiterhin viele maritime Technikfans faszinieren.