Als Dame rauscht DIE „Gerhard ten Doornkaat“ zu Rettungseinsätzen von Ueckermünde hinaus aufs Stettiner Haff. DIE „Lichterfelde“ bringt jährlich Tausende von Fahrgästen über die Havel und DIE „Pelikan“ versucht Woche für Woche Ordnung auf den Berliner Gewässern zu schaffen. Natürlich gibt es auch Schiffe, die von Natur aus weiblich sind: Zweifelsohne ist die „Queen Mary“ eine Dame und das Sportboot „Emma“ natürlich auch. Aber der männliche Artikel DER ist äußerst ungewöhnlich. Und so wird der Namensgeber Prinz Heinrich selbstverständlich zu DIE „Prinz Heinrich“, ebenso wie niemand auf die Idee käme, DER „Theodor Heuss“ zu sagen.

„Auf Matrosen ohe, in die wogende See….“: Von Matrosinnen ist nicht die Rede in Shanties und Seemannsliedern. Der Kapitän, an Bord respektvoll als „der Alte“ bezeichnet, ist auch immer (mit inzwischen sehr seltenen Ausnahmen) ein Mann. „Die Alte“ auf der Kommandobrücke hörte sich ja auch nicht so positiv an. Seeleute sind abergläubisch und Frauen an Bord galten den Fahrensmännern immer schon als schlechtes Omen. Frauen an Bord bringen Pech, hieß es für Jahrhunderte in der Seefahrt, und deshalb wurden sie dort auch nicht geduldet.

Aber bei der Namensgebung waren und sind Reeder, Schiffsbauer und Seeleute ganz anders: Dort übernehmen die Frauen das Zepter. Viele Deutungsversuche gibt es über die Gründe. Sprachwissenschaftler beschäftigt das ebenso wie Marinehistoriker und Schriftsteller.

Böse Zungen sagen, aufgetakelt seien sie am schönsten, und das gelte für Frauen ebenso wie für Schiffe. Aber es gibt auch sympathischere Erklärungen: die ewige Sehnsucht des Seemanns nach zu Hause, nach der Mutter, der Freundin, der Ehefrau. Dieses alte Thema vieler Shanties findet somit auch in den Namen der Schiffe seinen Widerhall. Weniger überzeugend und auch ein wenig sexistisch ist da schon die Erklärung, Schiffe und Frauen seien sich ähnlich durch weibliche Kurven, schöne Linien und prächtige Aufbauten.

Immer wieder gab es von „höchster Stelle“ Versuche, den Sprachgebrauch zu ändern. Kaiser Wilhelm II. weigerte sich, die Taufe DER „Imperator“, eines 272 Meter langen Ozeanriesen der Hamburger Reederei HAPAG, vorzunehmen, wenn das Schiff einen weiblichen Artikel trüge. Da man zu der Zeit einem Kaiser kaum etwas abschlagen konnte, wurde dieses zwischen Europa und Amerika verkehrende Schiff eben zum Mann. Weitere Versuche schlugen dann aber auch dem Kaiser fehl: Die in der gleichen Klasse gebauten Schiffe „Bismarck“ und „Vaterland“ waren dann auch wieder DIE.

Auch eine sprachhistorisch gewachsene und sehr seemännische Erklärung klingt überzeugend. Auf See gibt es nur zwei Autoritäten, die von niemandem an Bord angezweifelt werden: Der Kapitän und das Schiff. Ebenso unzweifelhaft ist die Erkenntnis, dass Seeleute ihre Bräuche und Mythen pflegen und sie ihnen Halt und Sicherheit bei ihrer oft sehr gefährlichen Arbeit geben. Und dazu gehört die klare Ordnung, dass ER, der Alte, der Kapitän das Sagen hat. Und dass SIE, das weibliche Schiff, die Seeleute in ferne Länder und SIE die Mannschaft auch wieder in den Heimathafen bringen wird.

Und somit ist klar: DIE „Gerhard ten Doornkaat“ wird natürlich auch weiterhin als stolze Dame ihren Dienst auf dem Stettiner Haff  leisten. Obwohl es einige Seenotretter gibt, die ihr Schiff liebevoll als „der Gerhard“ ansprechen. Die Damen werden es ihnen verzeihen.