Knapp ein halbes Jahr nach ihrer amtlichen Unterschutzstellung sollen die drei Meeresschutzgebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone der Nordsee (AWZ) Managementpläne bekommen. Damit sollen Schweinswale, Seevögel sowie seltene Riffe und Sandbänke besser geschützt werden. Nach Meinung der Umweltverbände NABU, BUND, WWF und Whale and Dolphin Conservation(WDC) weisen die Managementpläne zwar in die richtige Richtung, bleiben jedoch hinter den naturschutzfachlichen Notwendigkeiten und umweltrechtlichen Möglichkeiten Deutschlands zurück. Am vergangenen Montag endete die Frist für die Öffentlichkeitsbeteiligung.

„Mit den jetzt veröffentlichten Managementplänen hat das Bundesamt für Naturschutz (BfN) einerseits einen wichtigen Schritt zum Schutz der Artenvielfalt an unseren Küsten gemacht. Die geplanten Maßnahmen zur Schifffahrt und die Leitplanken für Rohstoffabbau schließen offensichtliche Regulierungslücken der Schutzgebietsverordnungen. Andererseits wird jedoch die EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie nicht konsequent umgesetzt. Vor allem fehlt ein räumliches Regulierungskonzept, das es ermöglicht einzelne Zonen von wirtschaftlicher Nutzung auszunehmen. Grundschleppnetze, Erdölförderung und militärische Nutzung vertragen sich nicht mit den Zielen von Meeresschutzgebieten. Angesichts des dramatischen schlechten Zustands der Nord- und Ostsee ist Regulierung aber dringend notwendig. Mehr als ein Drittel der Arten und Lebensräume gilt nach aktueller Roter Liste als bedroht“, so die Umweltverbände.

Mit Besorgnis reagieren die Umweltverbände auf die wenig konkreten Maßnahmenvorschläge des BfN. Viele Kapitel lesen sich noch wie Ideensammlungen und Forschungsaufträge. Erst im nächsten Schritt sollen die Einzelmaßnahmen ausgearbeitet werden, dann im Einvernehmen mit den direkt betroffenen Ministerien. So entscheidet letztendlich das Verkehrsministerium darüber, ob und wie die Seeschifffahrt in den Schutzgebieten reguliert wird, oder das Landwirtschaftsministerium über die Beschränkungen der Fischerei. „Es bleibt an vielen Stellen der Managementpläne offen, was genau Deutschland tun will, um den Verlust der Artenvielfalt an den eigenen Küsten zu stoppen, und ob mit den jetzt veröffentlichten Managementplänen tatsächlich die europäischen Meeresschutzverpflichtungen umgesetzt werden können. Vieles hängt auch an den Kapazitäten. Der Meeresschutz muss institutionell gestärkt werden. Mehr Personal und mehr Geld für anspruchsvolle neue und alte Aufgaben sind nötig“, so die Verbände.

Formal sind 45 Prozent der deutschen Meeresflächen durch das Natura-2000-Netzwerk geschützt. Darunter sind die Schutzgebiete nach EU-Vogelschutzrichtlinie und FFH-Richtlinie zusammengefasst. Zehn Jahre nach ihrer Anerkennung durch die EU haben die Gebiete den rechtlichen Status von Naturschutzgebieten erhalten. Deutschland hatte bereits 2013 die EU-Frist zur Verankerung von Maßnahmen zum Schutz der Meere verpasst. Dieses Versäumnis ist Bestandteil eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission gegen Deutschland.

Anlässlich der laufenden Koalitionsverhandlungen fordert auch die Deutsche Umwelthilfe CDU, SPD und CSU auf, sich mit weitreichenderen Maßnahmen für einen wirksamen Meeresschutz einzusetzen. Nötig sei ein ganzheitliches Meeresschutzprogramm im Koalitionsvertrag. Schädliche Fischereisubventionen, die zu Überkapazitäten in den Flotten führen oder illegale Fischereiaktivitäten finanzieren, müssten beendet werden. Fangquoten sollten sich an wissenschaftlichen Empfehlungen orientieren, um die Überfischung der Meere zu stoppen. „Wir wollen wirksame Meeresschutzgebiete auch in der Ostsee, die ihren Namen verdienen, also vorbildlich im Sinne des Naturschutzes gemanagt werden und wo naturverträgliche Fischereitechniken zur Anwendung kommen. Zudem fordern wir nutzungsfreie Zonen in den deutschen Meeresschutzgebieten, wie etwa in der Pommerschen Bucht. Diese kommen nicht nur besonders geschützten Arten wie den Schweinswalen und Kegelrobben zu Gute“, sagt Ulrich Stöcker, Abteilungsleiter Naturschutz bei der Deutschen Umwelthilfe. Weltweit zeigten alle Erfahrungen mit solchen fischereifreien Zonen, dass sich hier die Fischbestände erholen und dass sich auch den Fischern im Umfeld bessere Fangerträge bieten.